Montag, 2. Juni 2014

Schön, dass ihr wieder da seid, Jungs.

Rezension:
Echo And The Bunnymen - Meteorites
(Caroline/Universal)



Lange war es still um die Achtziger-Indierocker; ihr letztes Album The Fountain liegt mittlerweile schon gut fünf Jahre zurück. Heute bestehen die Bunnymen nur noch aus ihren beiden stilprägendsten Mitgliedern, Gitarrist Will Sergeant und Sänger Ian McCulloch, dessen Handschrift die textliche Ausrichtung und auch einen Großteil der Musik prägt. Sergeant, der letztes Jahr noch mit dem ehemaligen Bunnymen-Bassisten Les Pattinson ein Album unter dem Namen Poltergeist herausgebracht hatte, konnte erst auf den letzten Metern für das Projekt gewonnen werden – die Tracks waren schon so gut wie fertig, als er sich von der Qualität der bisherigen Aufnahmen überzeugen ließ und kurz vor Deadline noch einen Stapel Gitarrenspuren hinzufügte.

Und das ist ein Glück für Meteorites ...

... das sich ausgesprochen stark auf die psychedelischen Wurzeln der Band beruft und mehr auf hypnotische Wiederholungen baut als auf wirklich starke Melodien. Aber so war es immer schon bei den Bunnymen – während Weggefährten wie Julian Cope oder auch Robert Smith dem Indie-Gitarrensound der frühen Achtziger genug Pop einhauchten, um Hits zu feiern, konzentrierten sich die Liverpooler lieber darauf, McCullochs markante Stimme über schwirrende Gitarrenwände und die eine oder andere Sitar zu legen. Genau das ist auch die große Stärke von Meteorites: wirbelnde, kreiselnde, wabernde Gitarren, die ein wenig Zeit brauchen, um sich zu entfalten – wie bei „Market Town“, das The Verve zu ihren besten Zeiten auch nicht schöner hinbekommen hätten – und die unverändert kantigen Vocals, die bei aller Empfindsamkeit immer ein bisschen rotzig klingen.

Dabei versuchen sich die Bunnymen auch immer wieder an den großen Hymnen, für die sie zurzeit von „Ocean Rain“ auch durchaus ein Händchen hatten. Hier steht ihnen die hypnotische Psychedelik allerdings manchmal im Weg – „New Horizons“ beispielsweise hätte eine großer, mitreißender Aufbruch zu neuen Ufern sein können, so perfekt nachdenklich und sehnsuchtsvoll läutet Sergeants Gitarre McCullochs Lebensbeichte ein, so mächtig steigert sich das Arrangement im Refrain, aber dann bremsen eigenwillige Passagen mit rhythmischen Laut- oder Wortwiederholungen die Dynamik an den entscheidenden Stellen aus. Ein wiederkehrendes Muster auf diesem Album: Immer wieder nehmen die Bunnymen einen langen Anlauf zum perfekten Popsong, um dann vor dem letzten, entscheidenden Sprung zu scheuen.

Dementsprechend braucht das Album ein wenig länger, um seine Qualitäten zu offenbaren. „Meteorites“ ist eine solide Platte mit Tiefgang; McCulloch schrieb die ersten Songs in der Erkenntnis, von persönlichen Problemen eingeholt worden zu sein, vor denen er jahrelang die Augen verschlossen hatte, und setzt sich in den Texten bewegend mit seinen inneren Dämonen auseinander. Nicht umsonst beginnt der Opener und Titeltrack „Meteorites“ mit den Zeilen „Hope, where is the hope in me“, und es ist tröstlich, dass den düsteren Strophen mit der schweren Totentrommel und der melancholischen Gitarre ein Refrain folgt, der mit seinem dickem Spector-Soundteppich diese verlorene Hoffnung wieder zurückholen kann. Verglichen damit ist das freundliche „Holy Moses“ dann schon fast zu nett und vorhersehbar. Dabei haben die Bunnymen den Mix aus Pop und Abgründigkeit durchaus drauf – das beweist „Is This A Breakdown“ mit seinen großartigen Strawberry-Fields-Streichern.

Und ob es nun daran liegt, dass die Songs zur Albummitte hin einfach besser werden, oder ob eine gewisse Zeit nötig ist, um sich auf diese Platte einzulassen – ungeachtet aller Kritikpunkte, die man als kleinlicher Rezensent anbringen möchte, verliert man sich irgendwann unversehens in „Meteorites“. „Lovers On The Run“ ist eine rundum gelungene Bunnymen-Hymne, „Grapes Upon The Vine“ eine hintersinnige Abrechnung mit den Verlockungen des Rock’n’Roll-Lifestyle, „Burn It Down“ lebt von seiner wunderbar schmalzigen Wehmut. Einzelne, überragende Songs finden sich auf dieser Platte nicht – dafür eine homogene Gruppe von Titeln, die sich gegenseitig aufbauen und ein großes Ganzes bilden, das vielleicht nicht überragend, aber immerhin beachtlich und bewegend geraten ist.

Echo And The Bunnymen haben sich auf Meteorites hörbar hohe Ziele gesteckt, die sie vielleicht nicht immer erreichen mögen, die aber auch in ihrem unvollkommenen Anspruch durchaus ihre Berechtigung haben. Denn der Griff nach den Sternen ist schließlich nie verkehrt.

(erschienen bei www.terrorverlag.com)