(Columbia/Sony Music)
Zwanzig Jahre dauerte es, bis der Übersetzer und Songschreiber Misha G. Schoenberg sein ambitioniertes Projekt verwirklichen konnte: Anfang der Neunziger hatte er noch darauf gehofft, die Songs von Leonard Cohen in deutscher Fassung von niemand Geringerem als RIO REISER interpretieren zu lassen. Nun ist „Poem“ tatsächlich erschienen, allerdings unter Mitwirkung von 17 Künstlern, die verschiedener nicht sein könnten. Und vielleicht ist es sogar gut so, dass es keine Reiser-singt-Cohen-Platte wurde: Auf diesem Album bestechen vor allem jene Interpreten, die sich selbst weit zurücknehmen und die Songs für sich stehen lassen.
Dadurch, dass der Fokus hier stark auf den Texten liegt, mehr als auf der musikalischen Umsetzung, bekommt dieses Album eine völlig andere Ausrichtung als frühere Cohen-Hommages wie beispielsweise die wegweisende Compilation „I’m Your Fan“, auf der REM oder Nick Cave vertreten waren und teilweise – wie John Cale bei „Hallelujah“ – Großes schufen.
Auf „Poem“ dominiert zunächst das klassische
Liedermacher-Arrangement mit Gesang und Gitarre. Da freut man sich, wenn Cäthe bei
„Lover Lover Lover“ mal mit ein bisschen mehr Druck zur Sache geht. Dass Cohen auf
seinen ersten Alben konsequent auf Schlagzeug verzichtete, heißt schließlich
nicht, dass das für jeden funktioniert. Zwar ist es explizit das Anliegen
dieser Platte, einem deutschsprachigen Publikum zu vermitteln, dass Cohen eben
nicht nur der Ladies’ Man mit „dieser“ Stimme ist, sondern in erster Linie ein
sprachgewaltiger Dichter, aber hin und wieder merkt man: So gut die Texte auch
sein mögen, der zärtlich-raue, kantige, unverkennbare Gesang war stets mehr als
nur ein Transportmedium für seine Worte.
Dennoch: Cohens Texte sind ohne Frage großartig, und die
Übersetzungen sind sehr gelungen. Und was die Musik betrifft, so wird bei dieser
stilistischen Bandbreite vermutlich nicht jedem jeder Song gefallen. Es gibt
ergreifende Gänsehautmomente auf diesem Album – allen voran Nina Hagen, die
sich „Am dunklen Fluss“ („By The River Dark“) mit ungeahnter Würde nähert –,
aber ebenso eine Reihe Titel, die man sofort weiterzappen möchte. Jan Plewka kommt
bei „Küss mich, bis die Welt vergeht“ („Dance Me To The End Of Love“) Cohens eigenem
Charme vielleicht am nächsten, ebenso wie Manfred Maurenbrecher bei „Hymne“
(„Anthem“), und Anna Loos macht sich „Einer von uns muss sich irren“ („One Of
Us Cannot Be Wrong“) so sehr zu eigen, dass auch das wieder gut funktioniert. Sehr
gelungen auch die druckvolle Version von „Gerechtigkeit“ („Democracy“), die Fehlfarben
hier abliefern, deren Punkwurzeln perfekt zum Text passen. Peter Maffay hingegen
pfropft „Zuerst also Manhattan“ („First We Take Manhattan“) ungelenk seine
typisch aufrechte Deutschrockigkeit auf, und Alin Coen und Joa Kuehn erinnern
bei „Joan Of Arc“ vor allem wegen Coens gezierter Aussprache eher possierlich
an die Bewusstseins-Liedermacher der Siebzigerjahre. Andererseits: Warum eben
auch nicht.